- Literaturnobelpreis 1989: Camilo José Cela
- Literaturnobelpreis 1989: Camilo José CelaDer Spanier erhielt den Nobelpreis für seine »reiche und intensive Prosa, die mit zurückhaltendem Mitgefühl eine anregende Vision menschlicher Verletzlichkeit beschreibt«.Camilo José Cela, * Padrón (Provinz La Coruña, Spanien) 11. 5. 1916, ✝ Madrid 17. 1. 2002; 1957 Mitglied der Königlichen Spanischen Akademie, ab 1964 Ehrendoktorwürde von verschiedenen Universitäten, 1977 Senator im spanischen Parlament, 1995 Auszeichnung mit dem Cervantespreis, dem wichtigsten Preis im spanischsprachigen Raum.Würdigung der preisgekrönten LeistungAls Sohn eines spanischen Vaters und einer englischen Mutter wurde Camilo José Cela 1916 in Iria Flavia (La Coruña, Nordwestspanien) geboren. Im Alter von neun Jahren zog er mit seiner Familie nach Madrid und begann dort 1934 ein Medizinstudium an der Complutense-Universität in Madrid, das er aber sehr bald zugunsten eines Studiums an der Fakultät für Philosophie und Geisteswissenschaften wieder aufgab.Der Bürgerkrieg war bereits ausgebrochen, Madrid befand sich im Belagerungszustand, als Cela sein erstes Buch in Versform »Pisando la dudosa luz del día« (1936, spanisch; Das zweifelhafte Tageslicht betretend) schrieb. Bald darauf wurde er vom Militär eingezogen und bei einem Fronteinsatz verletzt. Im Krankenhaus zeigte sich aber, dass die Verletzungen ohne schwere Folgen blieben. Vier Jahre später begann Cela erneut ein Studium, dieses Mal war es Jura, brach aber nach drei Jahren auch das wieder ab, um sich nun vollständig der Literatur zu widmen.Celas erster Roman »Die Familie Pascual Duartes« (1942) spaltete die spanische Nation. Auf der einen Seite wurde er von den damaligen literarischen Zeitschriften »El Español« (spanisch; Der Spanier) und »La Estafeta Literaria« (spanisch; Der literarische Kurier) mit großem Erfolg aufgenommen und gelobt, auf der anderen Seite aber von »Ecclesia«, dem Sprachrohr der katholischen Kirche Spaniens, kritisiert und eine zweite Auflage Ende 1943 verboten.»Die Familie Pascual Duartes«Die spanische Nation entsetzte wohl die offen zur Schau getragene Freude an der Brutalität und am Mord, die durch den Bericht eines Kriminellen innerhalb des Romans zum Ausdruck kommt. Zwischen den einzelnen Mordschilderungen kommen immer wieder auch Personen zu Wort, die den Bericht bereits gelesen haben und ihn kommentieren und so gewissermaßen einen Gegenpol zu den schrecklichen Äußerungen des Kriminellen bilden. So erfüllt der Roman alle Voraussetzungen, um als würdiger Vertreter des »Tremendismo« zu gelten. Das Wesentliche dieser Stilrichtung ist die schonungslose Direktheit, mit der auch Schreckliches geschildert wird.Da an die Veröffentlichung weiterer Auflagen des Romans in Spanien nicht zu denken war, wurde »Die Familie Pascual Duartes« 1945 in Buenos Aires verlegt. Im gleichen Jahr begann Cela in Madrid an dem Buch »Der Bienenkorb« zu schreiben.»Der Bienenkorb«Nachdem es zuerst Unstimmigkeiten mit der argentinischen Zensur der Regierung Péron gab, erschien im Februar 1951 auch der »Der Bienenkorb« in Argentinien, ein Werk das bis 1963 in Spanien verboten blieb.In diesem Roman, der im Nachkriegs-Madrid um 1942 spielt, zeichnet Cela nicht einige mehr oder weniger pittoreske Charaktere, sondern versucht, ein umfassendes Abbild der damaligen Gesellschaft zu entwerfen. So verzichtet er in seinem Roman auf zentrale Figuren. Stattdessen bildet er 160 Personen ab, ohne jedoch eine einzige zu vertiefen, liefert aber gleichzeitig von jedem eine gelungene Skizze. Diese Personen eint allein die Tatsache, zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt zu leben. Einige von Celas Personen erweisen sich als sehr vulgär, doch aus ihrer Vulgarität bezieht Cela eindrucksvolle Aspekte. Der Schriftsteller zeichnet ein Bild, das in bestimmten Gesellschaftsschichten Madrids von Armut, Not und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Geradezu mit Rohheit schildert Cela Armut, Hunger, Hartherzigkeit und Heuchelei, die das Leben unter der Diktatur ausmachen. Das Buch wurde vom Spanier Mario Camus 1982 auch verfilmt; Cela spielte selbst eine der Figuren: Matías Martí, den Wortschöpfer.Nach Palma de Mallorca1954 verlegte Cela seinen Wohnsitz nach Palma de Mallorca und begann, die Monatszeitschrift »Papeles de Son Armadans« herauszugeben, die die folgenden 23 Jahre erscheinen sollte und in der er während der Franco-Ära der jungen Opposition Raum gab, sich politisch zu äußern.Der Roman »San Camilo, 1936« ist — sechs Jahre vor Francos Tod — der Versuch, das Trauma des spanischen Bürgerkriegs aufzuarbeiten. Das Ich legt Rechenschaft gegenüber einem Spiegel ab, der stellvertretend für die Schuld steht und sich laufend verändert, bis er schließlich von Blut befleckt und zerbrochen ist. Das Ich redet vor dem Spiegel gegen eine Flut von Stimmen an, die sich aus den Gedanken einzelner Personen zusammensetzt, die sich mit der harten Realität konfrontiert sehen und mit denen sich das Ich nun auseinander setzen muss.Ein weiteres Experiment literarischer Formen findet sich in Celas folgendem Roman »Mazurka für zwei Tote« (1983). Der Autor wechselt im Lauf der Handlung zwischen verschiedenen Zeit- und Erzählebenen, insgesamt wird die Handlung durch eine Zirkelstruktur bestimmt. Kaum erkennbar und stark verfremdet wird eine Hinrichtung während des Bürgerkriegs geschildert, die nach dem Ende des Kriegs einen Mord aus Vergeltung zur Folge hat. Ein Jahr später wurde Cela aufgrund der Beschreibung einer Autopsie in diesem Roman von der spanischen Gerichtsmedizinervereinigung zum Gerichtsmediziner ehrenhalber ernannt und für »Mazurka für zwei Tote« bekam er den spanischen Literaturnationalpreis. 1987 wurden seine Werke mit dem Preis »Príncipe de Asturias de la Letras« ausgezeichnet.Anlässlich seiner Recherchen zu einem neuen Roman »Cristo versus Arizona« (spanisch; Christus versus Arizona) reiste er 1987 nach Tucson (Arizona). Im gleichen Jahr übernahm er auch den Vorsitz der Rich-Kulturstiftung, die es sich zum Ziel gemacht hat, durch finanzielle Unterstützung von Forschungsvorhaben Erziehung und Kultur zu fördern. Im Jahr 1997 ging Cela zusammen mit anderen Schriftstellern wie dem Kolumbianer Gabriel García Márquez (Nobelpreis 1982) zum Internationalen Kongress für spanische Sprache in Zacatecas (Mexiko), wo er anlässlich der Eröffnungsveranstaltung eine Rede hielt.Celas Gesamtwerk umfasst rund 70 Bände, unter ihnen zehn Romane, alle von mehr oder weniger experimentellem Charakter, etwa 20 Bände mit Erzählungen, eine große Anzahl von Reisebeschreibungen sowie eine Essay-Sammlung. Auch wenn er wiederholt die bürgerliche Öffentlichkeit in Spanien provoziert hatte, ist er dort doch mittlerweile als ein Klassiker der Moderne anerkannt.N. Martos-Pilgrim
Universal-Lexikon. 2012.